Depression: Wenn ich diese Hilfe früher gehabt hätte

von Nora Fieling


Nora Fieling - Depression: Wenn ich diese Hilfe früher gehabt hätte - Patientengeschichte

Sommer 2009: Ich warte. Die Depression wartet nicht. Mein Zimmer ist am helllichten Nachmittag abgedunkelt. In Schlumpi-Klamotten sitze ich auf meinem Bett und bin allein. Allein zu sein, tut mir in der Depression oftmals gut. Da kann ich ICH sein, auch wenn ich gerade nicht weiß, wer oder wo mein ICH ist. Ich brauche mich nicht zusammenreißen und mein ICH kann sein, wie es ist – depressiv.

Depression wartet nicht

Seit einem Jahr bin ich in Berlin – der großen Stadt voller Möglichkeiten. Seit einem Jahr bin ich auch ohne therapeutische Unterstützung. Ich finde keinen Therapieplatz, erhalte nur Absagen. Ich verliere die Motivation und immer weiter ein Stückchen auch mich.

Auf fünf Wartelisten könnte ich mich setzen lassen, um dann in circa einem Jahr eine Therapie anzufangen. Nur, wie erkläre ich jetzt meiner Erkrankung, dass sie mal ein paar Monate pausieren soll, sodass ich bis zum Therapiebeginn (über-)lebe?

Sie hört mir nicht zu. Die Depression schreitet voran, ich rutsche immer mehr ab.

Dabei bin ich doch wegen des Studiums nach Berlin gezogen und war voller Vorfreude auf neue Leute und dem aufregenden Nachtleben. Die Nacht spüre ich in mir, das Leben nicht.

Und so sitze ich in meinem Zimmer, trinke Beruhigungstee und lebe mit Mitte Zwanzig das, was wir elf Jahre später, während der Corona-Pandemie, „Quarantäne“ nennen …

Von der hilflosen zur Helfenden

Mittlerweile bin ich 38 Jahre alt, auf verschiedenen Ebenen genesen und unterstütze beruflich nun andere erkrankte Menschen und Angehörige. Unter anderem bei der Suche nach einem Therapieplatz. Nach wie vor gibt es viel zu wenige kassenzugelassene Therapieplätze. Kaum zu glauben, aber obwohl immer mehr Menschen sich fachliche Hilfe suchen, psychische Erkrankungen immer eher erkannt werden, basieren die Anzahl der Psychotherapieplätze auf den Ergebnissen der Bedarfsplanung von 1999.

Oft werde ich in meinen Beratungen oder via Privatnachrichten in den Sozialen Medien gefragt, was mir aus der Depression half. Und meine Antwort ist immer dieselbe: Neben der Psychotherapie waren und sind es vor allem individuelle Selbsthilfe-Methoden bzw. Selbstfürsorge-Übungen. Hierbei ist natürlich wichtig zu differenzieren, was wann angesagt ist – in einer akuten schweren Krise braucht man zeitnah fachliche Hilfe.

Meine eigentlichen Ursachen der Depression, u.a. schwierige Erlebnisse aus der Kindheit, dysfunktionale Beziehungsmuster und traumatische Erfahrungen, arbeitete ich später in Gesprächen mit einer Therapeutin auf (bzw. bin hier und da noch dabei).

Zugleich gibt es bei einer komplexen Erkrankung wie der Depression nicht nur die eine Hilfe, sondern verschiedene Möglichkeiten der Intervention. Und ich bin überzeugt davon, dass ich früher so manch eine Krise hätte verkürzen oder vielleicht sogar verhindern, auf jeden Fall abschwächen können, wenn ich zu manchen Unterstützungsangeboten eher einen Zugang gehabt hätte.

deprexis – Unterstützung bei negativen Denkmustern und dem Erlernen neuer Verhaltensweisen

deprexis® ist ein Online-Therapieprogramm, das auf wissenschaftlichen Studien beruht und Menschen mit leichten bis mittelschwere Depressionen hilft. Das Programm wird in Deutschland vom Pharmaunternehmen Servier vertrieben.

Das Online-Therapieprogramm deprexis® kann als eigenständige Therapie oder als Ergänzung zu einer bestehenden Psychotherapie genutzt werden.

Das Programm besteht aus 10 Lektionen, die auf Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie aufbauen und die man selbst durchgeht. Man kann sich jederzeit und überall einloggen und das jeweilige Modul bearbeiten. Hierbei werden Themen, wie zum Beispiel Verhaltensaktivierung, Akzeptanz, Entspannung, Umdenken lernen, Traumarbeit und Beziehungen behandelt.

Was, wenn ich in der damaligen Depression diese Hilfe gehabt hätte?

Nun, natürlich habe ich jetzt keine Glaskugel und kann einwandfrei diese „Was-wäre-wenn-Frage“ beantworten. Zugleich bin ich überzeugt davon, dass mir so eine Unterstützung geholfen hätte. Da, die Depression wartet nicht. In meinem Fall waren es vor allem Selbstabwertung, Grübeleien, fehlende Tagesstruktur, mangelnde Selbstfürsorge und ein ungesunder Umgang mit Gefühlen.

Vor allem von Selbstfürsorge und dem Umgang mit schwierigen Gefühlen hatte ich überhaupt keinen Plan – damals, als ich noch viel zu viel rauchte, wahllos Alkohol trank und hin und wieder Rückfälle ins selbstverletzende Verhalten hatte.

deprexis® ist als Online-Therapie zugelassen und viele kritisieren, dass es ja „nur“ ein Online-Programm ist. Auch ich bin gegenüber solchen Programmen und Apps oft sehr skeptisch. Nicht für alle Menschen oder alle Themen passt so eine Online-Intervention – für viele aber schon. Gerade am Anfang der Erkrankung oder bei einer milderen Form, können die Selbstreflektion und die kurz gehaltenen Impulse erste Gedankenanstöße geben, mit denen man sich selbst auseinandersetzen kann. Das wäre für mich hier in Berlin auch deshalb hilfreich gewesen, weil ich zu der Depression noch eine Angststörung hatte, wegen der ich bei anderen Menschen und in öffentlichen Räumen oft Panikattacken hatte. Aber das ist eine andere Erfahrung …

deprexis® kann man zeitlich und räumlich total flexibel nutzen – das wäre mir damals eine sehr große Unterstützung gewesen. Depression wartet nicht.


Nora Fieling - Depression: Wenn ich diese Hilfe früher gehabt hätte - Patientengeschichte

„Tachchen, ich bin Nora Fieling und ich habe Erfahrungen mit Depression, Angststörung/Panikattacken, Borderline-Anteilen und Trauma-Folgestörungen.“ – Ein Satz, der mir mittlerweile relativ leicht über die Lippen kommt, für dessen Inhalt ich mich jedoch jahrelang schämte.

Inzwischen fühle ich mich auf verschiedenen Ebenen genesen und habe erkannt, das ich so viel mehr als meine Diagnosen bin. Als selbstständige Peer-Beraterin, Resilienztrainerin und Speakerin arbeite ich mittlerweile in verschiedenen Kontexten mit anderen Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonen zusammen. 2020 veröffentlichte der Starks-Sture-Verlag mein erstes Buch „Depression – und jetzt? Wegweiser einer Erfahrungsexpertin“

Und wenn ich mich nicht gerade mit mentalhealth-Themen beschäftige, dann spiele ich Theater, tobe mit meinen Frettchen oder verstecke mich hinter einem Roman.

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